Rettungsassistenten auf Intensivstationen und im Aufwachraum?

Verschiedene Anbieter versuchen ausgebildete Rettungsassistenten im klinischen Alltag zu etablieren. Diese für den präklinischen Einsatz ausgebildete Berufsgruppe soll nun als Ersatz für Fachpflegende z.B. auf Intensivstationen, im Aufwachraum oder zentralen Notaufnahmen eingesetzt werden. Wie der Name bereits sagt, ist diese Berufsgruppe spezialisiert auf den Rettungsdienst und außerklinischen Transport von Patienten.

Auf den Intensivstationen dagegen werden hoch komplexe Versorgungsprozesse bewältigt, die eine sichere intensivpflegerische und medizinische Versorgung des Schwerstkranken gewährleisten und damit häufig das Überleben von Patienten sicherstellen. Die dortigen Mitarbeiter haben eine dreijährige Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger absolviert und sind breitgefächert geschult. Zusätzlich qualifiziert sich ein Großteil der Pflegenden im Rahmen einer zweijährigen Weiterbildung zum Fachgesundheits- und Krankenpfleger weiter, um spezielle Kenntnisse und Kompetenzen zur Versorgung von kritisch erkrankten Patienten zu erwerben. Ein Ersatz des hochspezialisierten Pflegepersonals durch Rettungsassistenten kann aus unserer Sicht die zurzeit gegebene gleichbleibende, qualitativ hochwertige Versorgung von Intensivpatienten gefährden.

Gleiches gilt für die Behandlung von Patienten nach einer Operation, die unmittelbar nach der OP in einem Aufwachraum, dem Brennpunkt eines Operationsbereichs, versorgt werden. Hier muss allen mittel- und unmittelbaren anästhesiologischen und chirurgischen Problemen und Komplikationen fachlich korrekt und situationsgerecht begegnet werden. Es wird eine ausgesprochene, fachpflegerische Expertise benötigt, die die Sicherheit der Patienten in dieser akuten Behandlungssituation gewährleistet.

Wenn es in der Begründung zum Einsatz von Rettungsassistenten in Funktionsbereichen (Zählt die Intensivpflege mittlerweile auch zur Funktionspflege?) heißt, dass diese Mitarbeiter wegen der Belastungen im Rettungsdienst dort nicht ewig tätig sein können, dann geht man grundsätzlich von einer völlig falschen Prämisse aus: In den Tätigkeitsfeldern von Intensivstation und Aufwachraum müssen Mitarbeiter sehr wohl physisch und psychisch belastbar sein, reaktionsschnell und präzise in ihrer Arbeitsweise. Hier ist sicher kein Platz zum „Ausruhen und zwischenzeitlichen Entspannen“ gegeben.

Dennoch argumentiert Alexander Heimerl vom Institut Trenkwalder Medical Care des Bayerischen Roten Kreuzes in einer Veröffentlichung mit dem Titel „Innovative Linderung des Pflegepersonal-Mangels“ (intensiv 2011; 19 (6): 302-303), dass „der wachsende Fachkräftemangel viele Krankenhäuser vor eine große Herausforderung stellt“. Deswegen wurde ein Schulungsprogramm entwickelt, womit nach einer viermonatigen Weiterbildung Rettungsassistenten zu „Pflegeassistenten für Funktionsbereiche“ umgeschult werden sollen. Neben einer personellen Entlastung geht es aber auch ihm insbesondere um „ganz neue berufliche Perspektiven für Rettungsassistenten.“ Für die Rettungsassistenten liegen seiner Einschätzung nach die Vorteile auf der Hand: „Ihren neuen Arbeitsalltag in den Krankenhäusern können sie mit dem Privatleben besser abstimmen. Dort haben die Assistenten eine deutlich geringere Bruttoarbeitszeit, und das bei annähernd gleichem Verdienst.“ Worum geht es nun? Sinnvolle Entlastung der Klinik und Sicherstellung der Patientenversorgung mit Niveau oder Optimierung des Privatlebens von Rettungsassistenten?
Wenn auch die Absolventen eines solchen Lehrgangs 480 Unterrichtsstunden absolviert haben, so differieren die Aus- und Weiterbildungsinhalte von Fachpflegenden und Rettungsassistenten deutlich. Wenn es dann abschließend heißt, dass es das Ziel ist, den Rettungsassistenten das nötige Fachwissen zu vermitteln und ihnen die Sicherheit für den späteren Einsatz zu geben, um sie nicht als „Intensivpflegekräfte-light“, sondern als tatsächlich vollwertige Team-Mitglieder auf der Station zu qualifizieren, dann irrt Herr Heimerl aus unserer Perspektive.

Kommentare von Rettungsassistenten und Juristen untermauern unsere Sichtweise:
„Ich persönlich empfinde den Vorstoß der Firma Trenkwalder eher befremdlich. Da ich selber auch eine Ausbildung zum Rettungsassistenten besitze und über Jahre an einer Berufsfachschule für Rettungsassistenten gelehrt habe, möchte ich die Behauptung aufstellen, dass ein gut ausgebildeter Rettungsassistent noch lange nicht eine gut ausgebildete Pflegekraft ersetzten kann. Hier wird eher versucht das Überangebot von Rettungsassistenten zu günstigen Arbeitskräften „umzuqualifizieren.“ (Jan Gregor Steenberg, Rechtsanwalt für Medizinrecht; 29.08.2011). Damit bezeichnet er den Versuch als „äußerst fragliche Fortbildung.“

„Mir kommt die Initiative der Firma Trenkwalder wie ein schlechter Scherz vor“, sagt Fachautor Jürgen Bause. „Nach Berechnungen von Experten werden in wenigen Jahren nicht etwa 112.000, sondern etwa 300.000 examinierte Pflegekräfte fehlen.“ Er ist der Meinung, dass dieser Mangel an Pflegepersonal sich nur durch eine erheblich verbesserte Ausbildung der Pflegekräfte und eine Erhöhung der Vergütung kompensieren lässt. Eine signifikante Verbesserung im Pflegesektor sei nur durch sehr gut ausgebildete examinierte Pflegekräfte zu gewährleisten, nicht durch Rettungsassistenten. (Kommentar in der Ärzte Zeitung online, 23.08.2011 – http://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/klinikmanagement/article/666453/rettungsassistenten-gehen-pflegekraefte-klinik.html)

Die Idee Rettungsassistenten in der Klinik einsetzen zu wollen, erachten wir mit gewissen Einschränkungen als durchaus sinnvolle Maßnahme. So bietet sich zum Beispiel das Aufgabenfeld der innerklinischen Transporte an, wie es bereits an einige Kliniken mit Erfolg praktiziert wird.
Das Problem einer qualitativen Unterbesetzung von Intensivstationen und Anästhesieabteilungen wird allerdings mit fortgebildeten Rettungsassistenten dauerhaft nicht gelöst werden.

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