Berlin, 16.08.2022
Mit dem so genannten „3+1-Modell“ starten fünf Universitätskliniken in Baden-Württemberg ein vom zuständigen Landesministerium bewilligtes Modellprojekt, mit dem schnellerer Personaleinsatz in der Intensivpflege ermöglicht werden soll. Das Modell sieht vor, Pflegefachpersonen in einer 4-jährigen Kombination aus generalistischer Pflegeausbildung und Weiterbildung für die Tätigkeit auf Intensivstationen zu qualifizieren. Die viel beklagte Heterogenität der Weiterbildungslandschaft für die Pflegeberufe wird durch diesen Vorstoß eines einzelnen Bundeslandes weiter verstärkt. Die DGF e.V setzt sich seit langem für eine bundesweite Vergleichbarkeit von Fachweiterbildungen ein und plädiert dabei vehement für die Beibehaltung einer Weiterbildungsdauer von i.d.R. zwei Jahren für die Qualifikation hochspezialisierten Fachpersonals für die Intensivpflege.
Problematisch dürfte bereits die curriculare Gestaltung des Modellprojektes hinsichtlich der theoretischen Lerninhalte sein. Die geplante Anrechnung von Inhalten aus der „Generalistik“ auf die Weiterbildung in einem hochspezialisierten Bereich wie der Intensivpflege ist -vor allen ohne Einblick in das angedachte Curriculum – nicht nachvollziehbar. Die generalistische Pflegeausbildung, in der die grundlegenden Kompetenzen für die Pflege von Menschen aller Altersstufen erworben werden, ist qualitativ anspruchsvoll und breit angelegt, aber gerade nicht auf eine Spezialisierung ausgerichtet. Ein hoher Anteil theoretischen Unterrichts zu dem speziellen Wissens- und Kompetenzerwerb im 4. Jahr der Qualifizierung würde zu Lasten der ohnehin verkürzten praktischen Einsatzzeit führen.
Da aber Handlungskompetenz sich nur in der Verzahnung von Theorie und Praxis entwickeln kann, stellt insbesondere die 2-jährige Dauer der Fachweiterbildung mit rotierenden Praxiseinsätzen, theoretischen Modulen und gezielten praktischen Anleitungen ein unverzichtbares Qualitätsmerkmal dar, das durch eine Verkürzung der Bildungsmaßnahme aufgegeben wird.
„Das „3+1-Modell“ kann in der Umsetzung nie an das heranreichen, was in 3 Jahren Pflegeausbildung und 2 Jahren Weiterbildung möglich ist. Die verständliche Sorge um den Personalmangel darf nicht zu „Schmalspurangeboten“ auf Kosten der Versorgungsqualität und der Sicherheit von Patient*innen und Mitarbeiter*innen führen“, sagt Lothar Ullrich, Vorsitzender der DGF
Das Modellprojekt wäre denkbar als Trainee-Programm, das nach der generalistischen Ausbildung eine gute Einarbeitung in den Fachbereichen ermöglicht, auf die dann eine Fachweiterbildung aufbaut. Das Projekt ist allerdings in keiner Weise geeignet, eine Fachweiterbildung zu ersetzen.
Verabschiedet vom Vorstand der DGF e.V. am 15. August 2022.
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