Der Deutsche Fachpflegekongress erfreut sich konstanter Besucherzahlen und großer Zufriedenheit der Teilnehmer. Rund 450 Fachpflegende aus kamen am 9. und 10. September nach Dortmund, wo der Kongress in einem für Fußballfans geschichtsträchtigen Ambiente eröffnet wurde – im Goldsaal des Kongresszentrums an den Westfalenhallen Dortmund.
Hier gründete der Deutsche Fußball-Bund vor 54 Jahren die Bundesliga. Weniger historisch, mehr zukunftweisend waren die Inhalte des Fachkongresses, der zum vierten Mal stattfand und mit insgesamt 26 Fachvorträgen aus den Bereichen Intensivpflege, Anästhesie und pädiatrische Intensivpflege ein umfangreiches Fortbildungsangebot und Diskussionsforum bot.
Der Pflegewissenschaftler Professor Jürgen Osterbrink forderte in seinem Eröffnungsvortrag eine stärkere Sensibilisierung der Berufsgruppe für Gewaltvorfälle in der Pflege. Gewalt sei allgegenwärtig – auch in der Pflege. „Öffentlich werden meist nur die extremsten Fälle“, sagte Osterbrink, Vorstand des Instituts für Pflegewissenschaft und -praxis an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. „Vorstufen von Gewalt werden vielfach nicht erkannt.“ Seine Botschaft an die Teilnehmer des Fachkongresses: „Bauen Sie innere Antennen für Gewaltmomente auf.“ Ärzte und Pflegende seien oft die ersten und einzigen Ansprechpartner für die Opfer. „Gehen Sie jedem Verdacht nach, auch wenn Sie nicht ganz sicher sind. Jeder Gewaltvorfall muss gemeldet werden.“
Viel fachlichen Input gab es in den drei parallel laufenden Sitzungen zur Intensivpflege, Anästhesie und Pädiatrie. Peter Nydahl, Pflegeforscher am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, fasste beispielsweise die internationale Studienlage zum Thema Frühmobilisierung zusammen. Sein Fazit: Möglichst früh, aber auch nicht zu früh, besser häufiger und kürzer mobilisieren. „Sinnvoll ist, mit der Frühmobilisierung 24 bis 48 Stunden nach Stabilisierung des Patienten zu beginnen. Zu empfehlen ist zudem, stufenweise anhand von Sicherheitskriterien zu mobilisieren“, so der erfahrene Intensivpfleger.
Großes Interesse weckten auch die Vorträge, die die Patientenseite beleuchteten. Gisela Otrzonsek von den Kliniken Südostbayern AG Traunstein berichtete anhand eines Fallbeispiels einer 21-jährigen Frau, die nach schwerem Verkehrsunfall lange auf einer Intensivstation lag, wie sich eine Posttraumatische Belastungsstörung auf das gesamte weitere Leben auswirken kann. Ständige Flashbacks, Ängste und eine therapeutische Begleitung gehörten fortan zum Alltag der jungen Frau: „Sie ist nicht mehr dieselbe“, so die Intensivpflegende. Einen Einblick in das Erleben auf der Intensivstation bot auch Erik Och, Leiter OP-Management, der im vergangenen Jahr „die Seite wechselte“ und in seinem eigenen Klinikum als Patient auf der Intensivstation betreut wurde. Für ihn eine lehrreiche Erfahrung: „Ich gehe heute anders auf die Intensivstation und gehe ganz anders mit Patienten um“, sagte Och, „diese ganzen flapsigen Sprüche kommen heute nicht mehr über meine Lippen.“
Ein Highlight der Veranstaltung war der humoristische Beitrag von Matthias Prehm. Der Intensivpfleger und Gründer der Agentur „HumorPille“ regte an, in Zeiten von Stress und Überbelastung den Humor stärker als Ressource zu nutzen. Hier sei in einem sensiblen Umfeld wie der Intensivstation aber Achtsamkeit gefragt: „Nur wenn Empathie und Wertschätzung vorhanden sind, kann Humor funktionieren.“
Niklas Wiechert gewinnt DGF-Nachwuchsförderpreis 2016
Im Rahmen eines Vortragwettbewerbs wurde auf dem Deutschen Fachpflegekongress auch der Nachwuchsförderpreis der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) verliehen.
Diesjähriger Gewinner war der Münsteraner Niklas Wiechert. Der Gesundheits- und Krankenpfleger des Universitätsklimikums Münster überzeugte mit seinem Projekt „Mehr als nur heiße Luft – Prewarming in der Anästhesie“. Er präsentierte seine kontrollierte Studie an 80 Patienten und zog als Fazit: Auch wenn sich im Vergleich zur Kontrollgruppe keine signifikanten Temperaturunterschiede ergaben, zeigte das Prewarming deutliche Vorteile: „Der Gewinn an Patientenkomfort ist enorm, die Rückmeldungen der Patienten waren durchgehend positiv“, so der Münstersche Krankenpfleger.
Der Gewinner wurde durch das Publikum ermittelt und gewann ein kostenfreies Wochenende in Berlin, inklusive Besuch eines DGF-Kongresses 2017, gestiftet von der Firma Smiths Medical Deutschland. Den zweiten Platz belegten die Dortmunder Raphael Müller und Tarik Masik für ihr Projekt „Check up – Die Karte im Kitteltaschen- format zum Bettplatzcheck zu Schichtbeginn beim Intensivpatienten“. Drittplatzierte ist Isabell Helbig vom Universitätsklinikum Erlangen, die ihre Facharbeit „Vergleich der Weiterbildungen zur Intensivpflegefachkraft in Europa – exemplarisch an Österreich, der Schweiz, Spanien und Schweden“ vorstellte.
Die DGF hatte zum vierten Mal zum Nachwuchsförder- preis aufgerufen, um gezielt junge Fachpflegende zu motivieren, ihre Facharbeiten einem großen Publikum vorzustellen.
Besonders gut kamen auch die Praxis-Workshops an, die am zweiten Veranstaltungstag im St.-Johannes-Hospital Dortmund stattfanden. Hier konnten die Teilnehmer in Kleingruppen das Handling bei der Lagerung von Intensivpatienten üben, das hämodynamische Monitoring mit dem PiCCO-System erproben, mehr über die non-invasive Beatmung erfahren und vieles mehr. Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF) ist Veranstalter des Kongresses, der in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Münster, dem St.-Johannes-Hospital Dortmund und dem Bibliomed-Verlag alljährlich stattfindet.
Bitte vormerken. Der nächste Deutsche Fachpflegekongress ist vom 28. bis. 30. September 2017 in der Halle Münsterland in Münster.